SEELENFAMILIE: Warum Familie in der neuen Zeit unkonventionell gelebt werden darf
Wie ich an der Sehnsucht nach Familie fast zerbrochen wäre und wo ich sie heute gefunden habe
Der größte Schmerz in meinem Leben war es, so früh keine „richtige“ Familie mehr zu haben.
Mit 17 dachte ich daran zu zerbrechen, mit Anfang 20 führte ich ein nach Außen hin lebendiges Leben und war im Innen zutiefst einsam und verloren. Ich konnte es nicht fassen, wie das Leben mir so viel Ungerechtigkeit antun könnte: Keine Geschwister, keine Mama mehr und ein Vater, der psychisch instabil war.
Früh übernahm ich im Familiensystem die Rolle der Starken, die durchhielt. Ich hielt durch in den langen Krankheitsjahren meiner Mama, ich hielt durch als sie starb, ich hielt durch als meine Papa zusammenkrachte und das immer und immer wieder, ich hielt durch als ich mein Abi zu schreiben hatte und meine Zukunft vor mir lag. Ich hielt durch als es darum ging, sich um meine Großeltern zu kümmern und außer mir niemand Anderes da war. Eine Aneinanderreihung von Verantwortlichkeiten, die viele co-abhängige Menschen kennen und wo oftmals eines auf der Strecke bleibt: Die Verantwortung für die eigenen Bedürfnisse zu übernehmen, für das eigene Nähren, echte Nähe und gelebte sinn-erfüllte Berufung.
Funktionieren und Durchhalten in der Co-Abhängigkeit
Wenn Menschen mit co-abhängigen Mustern eines können, dann ist es es durchhalten und funktionieren. Das war die Überlebensstrategie in der Kindheit, um das familiäre System (energetisch) zu stabilisieren. Kinder übernehmen die unbewussten Bedürfnisse ihrer Eltern nach Liebe, Wertschätzung, Wärme, Lebendigkeit und stellen die eigenen Gefühle und Bedürfnisse zurück. Die Folgen sind Abspaltungen, die sich später als fehlende Lebendigkeit und Präsenz im Körper bemerkbar macht und eine immense innere Leere, die danach schreit im Außen erfüllt zu werden.
Die verzweifelte Suche im Außen
Aus meiner inneren Leere heraus, war ich in meinen Zwanzigern verzweifelt auf der Suche nach Lebendigkeit im Außen, die mich an viele Orte der Welt führte und in tausend Aktivitäten und Kontakte, die mein hochsensitives System maßlos überforderten. Ich hatte immer wieder das Gefühl kurz vor dem Burn-Out zu stehen, so voll war mein Leben, so aktiv war ich auf der Flucht vor mich selbst und der unermesslichen Trauer, die dahinter lauerte.
Natürlich suchte ich auch meinen Traumprinzen, mit dem ich jene familiäre Geborgenheit leben wollte, die mir so sehr fehlte. „Zufälligerweise“ traf ich nur auf Männer, die selbst zutiefst bedürftig, nähevermeidend und süchtig waren. Heute weiß ich natürlich, dass das kein Zufall war, sondern Traumaressonanz. Rückblickend bin ich meinem System dankbar dafür, dass ich die meiste Zeit alleine gegangen bin und nicht in toxischen Beziehungen verharrt bin. Das gab mir Frei-Raum für meine Heilung losgelöst von der Auseinandersetzung mit einem Partner und war für diese Jahre gut und richtig für mich.
Der Weg in die Heilung
Mein Weg hat mich in die Heilung und zur Spiritualität geführt: In viele Jahre Psychotherapie, Körperarbeit, energetische Heilungsitzungen, körpertherapeutische und spirituelle Ausbildungen und schließlich zu der besten Traumatherapeutin, die ich mir vorstellen kann. Heilung heißt für mich vor allem: meine Körperpräsenz wurde stärker, meine innere Differenzierung klarer, meine Beziehungen gesünder, mein Platz in der Welt kraftvoller und meine spirituelle Anbindung liebevoller und stetig. Mein eigener Heilungsweg ist die Grundlage meines Wirkens als Heilerin. Ich gehe tief mit mir und diese tiefen, weiten Räume darf ich nun selbst halten. Der größte Antrieb all meines Strebens war immer die Suche nach Geborgenheit und die große Sehnsucht nach der Liebe.
Das Geschenk meiner Seelenfamilie
Auf dieser Suche durfte ich eines erkennen: Echte Familie hat mit „Blut“ nichts zu tun. Meine Herkunftsfamilie hat mir das Leben geschenkt, mich begleitet, geprägt und auch geliebt. Doch das, was ich mir tatsächlich wünsche: Emotionale Geborgenheit und Unterstützung, Freude, Vertrautheit, Inspiration, miteinander Abenteuer erleben und tiefe Verbundenheit, finde ich dort nicht.
Diese Qualitäten finde ich in meiner Seelenfamilie. Jene Handvoll wunderbarer Menschen, die mir in den letzten Jahren begegnet sind und mit denen ich zusammen gehe. Auch hier darf ich viel lernen: Selbstverantwortung zu übernehmen, meine alten Wunden und Übertragen zu erkennen und zu heilen, Unterschiede zu akzeptieren, mich selbst wertzuschätzen, meine Wahrheit zu sprechen- und Liebe auch wirklich zuzulassen und zu geben.
Gerade fahre ich mit dem Zug von Berlin zurück ins Allgäu, nach einer satten Woche voller wunderbarer Seelenfamilie-Momente und fühle mich so genährt, verbunden und willkommen auf dieser Welt.
Wir sind heute frei, Beziehungen zu gestalten, wie wir es wollen
Ich spüre den Schmerz von damals immer noch manchmal und doch ist da so viel Neues an dessen Stelle getreten: Eine neue echte Wertschätzung mir selbst gegenüber und ein Gefühl, meine eigene Familie zu kreieren, die sich so elementar von dem unterscheidet wie ich aufgewachsen bin. Die neue Form von Familie (für mich) lässt frei, lässt anders sein, feiert Buntheit und ist gleichzeitig verbunden, verlässlich und unterstützend.
Das sind die Qualitäten der neuen Zeit und das sind auch jene Qualitäten, die für mich wesentlich sind, in Ausrichtung auf eine Familie im Sinne von Partnerschaft und Kindern, welche in den nächsten Jahren in mein Leben kommen dürfen.
Ich spüre, dass es mir ein tiefes Anliegen ist, Mut zu machen, dass ein erfülltes, geborgenes und liebevolles Sein und Leben möglich ist- auch, dann, wenn die Startbedingungen nicht ideal waren. Deswegen erzähle ich meine Geschichte, teile den Schmerz und das Licht. Mit liebevollem Blick schaue ich dabei auf mein altes „Ich“ und wie sehr sich die Susanne damals gewünscht hätte, das zu hören und vielleicht tut dir es ja gerade auch gut .
Mögest du tief in dir ankommen. Du bist wunderbar.