Ich bin in einem ländlichen Umfeld zwischen Kuhglocken und Alpenblick aufgewachsen. In diesem katholischen und idyllischen Umfeld war "heile" Welt Standardprogramm und auch in meiner Familie sollte das äußere Bild möglichst gut aussehen. Ich wusste instinktiv, dass es nicht gewünscht ist, dass ich mit meinen Freundinnen über die Krankheit meiner Mutter spreche. Ich wusste, dass sie nicht als „die kranke Frau“ gelten wollte im Dorfklatsch (wofür ich auch heute tiefes Mitgefühl habe).
Also habe ich es für mich behalten und als mein Geheimnis bewahrt. Ein Teil von mir hat sich mit damit sogar ein bisschen heldenhaft gefühlt, weil ich in Facetten des Lebens geblickt hatte, die andere noch nicht kannten. Doch viel größer war da das tiefe Gefühl von Distanz, von Einsamkeit, von nicht verstanden werden. Ich habe meine Verlustangst, die Sehnsucht nach einer glücklichen Mama und das ewige Bangen alleine getragen, ohne mit jemandem darüber zu sprechen.
Gerettet hat mich die höchst intelligente Fähigkeit meines Systems, zu schwere Gefühle abzuspalten, das Flüchten in meine eigene Welt und auch die warmherzige Beziehung mit meiner Mama, die ja trotz allem bestand. Doch ein emotionaler Raum für mich hat gefehlt: Das Mitteilen, das gesehen sein, das verstanden werden, ja und auch Mitgefühl für mich, was ich als kleines Mädchen trage.
Schweigen als Teil von Co-Abhängigkeit
Dieses Schweigen und Mittragen ist Teil von co-abhängigen Strukturen, die meist früh in unserer Kindheit entstehen. Als Kind spüren wir instinktiv, dass es besser ist, die Streitereien der Eltern, die Depressionen der Mutter/des Vaters, Schulden, Sucht, (emotionalen) Missbrauch für sich zu behalten. Wir spüren, dass es da einen offen oder unausgesprochenen Deal gibt: "Das hier bleibt unter uns und du sprichst mit niemanden darüber!". Möglicherweise stehen sogar reale Drohungen von Gewalt im Raum.
Genauso wie wir als Kinder die Bedürfnisse unserer Eltern haargenau aufspüren können und bereit sind, sie zu übernehmen, spüren wir auch, was wir erzählen dürfen und was nicht. Wo auch immer wir dann waren, fühlte es sich an, als würde der strenge Blick der Mutter/des Vaters uns verfolgen.
So wie mir, ging es vielen Frauen mit denen ich heute arbeite: Das Leid der Eltern war so groß, dass sie das als Kind energetisch mittragen mussten- und keine Möglichkeit hatten, den eigenen Schmerz darüber auszudrücken.
Die Auswirkungen ins Heute
Bei der Entstehung von Trauma spielen nicht nur verstörenden Ereignisse und, die Gefühle, die damit einhergehen eine Rolle, sondern auch, ob es die Möglichkeit gibt, diese Gefühle zu regulieren *. Sprich: Ist nach einer traumatischer Erfahrung eine liebevolle Begleitung da, die Verständnis und Mitgefühl und einen sicheren Raum bieten, haben die Gefühle eine Möglichkeit, sich im Körper zu lösen und das Gleichgewicht kann wieder hergestellt werden. Diese Begleitung hatten die wenigsten von uns, denn die Erwachsenen waren ja mit sich selbst und ihrem Drama beschäftigt (das in dem meisten Fällen mit ihren eigenen unverarbeiteten Traumen zu tun hat). Da die Gefühle, die da auf uns als Kinder einprasseln für das System überfordernd waren, haben sie sich abgespalten. Wenn diese Anteile nicht bewusst integriert werden (und das tun sie leider nicht von selbst), spiegeln sich diese Strukturen als Erwachsene wieder:
Das kann sich darin äußern, dass Du die Suchterkrankung Deines Partners, emotionale Misshandlungen, Machtmissbrauch, Opferhaltungen ausgleichst, erträgst- und verschweigst: „Ich schweige und stehe zu Dir- und dafür verlässt du mich nicht“ ist der Deal.
Vielleicht hast Du Dich auch in eine vermeintlich Stärke geflüchtet und heute fällt es Dir schwer, diese Masken fallen zu lassen und Dich wirklich verletzlich zu zeigen. Du fühlst Dich gefangen im Einzelkämpfer-Modus und glaubst alles mit Dir selbst ausmachen zu müssen.
Du zahlst mit Deiner Lebensenergie- und es dient niemandem
Als Kind hattest Du keine andere Wahl, Du warst zutiefst unschuldig und darfst Dir hier voller Mitgefühl begegnen. Heute hast Du eine Wahl. Den Preis, den Du dafür zahlst ist unermesslich groß: Du fühlst Dich einsam, erschöpft, abgeschnitten von Deiner spirituellen Führung und Lebensfreude. Durch das Verharren in destruktiven Beziehungen, verletzen wir uns selbst in unserem Selbstwert und dimmen unsere Seelenkraft.
Noch dazu schadest Du damit (unbewusst) Deinem Gegenüber: Wenn Du als Co-abhängige die destruktiven Verhaltensmuster Deines Umfelds verschweigst, ausgleichst, versteckst, verheimlichst und glatt bügelst, erhältst Du die Struktur aufrecht. Das schadet nicht nur uns selbst, das schadet auch dem Menschen, den wir damit vermeintlich schützen (um ihn/sie letztendlich an uns zu binden). Denn wenn wir für einen anderen erwachsenen und mündigen Erwachsenen (auch, wenn er sich noch so sehr als Opfer sieht) die Verantwortung übernehmen, nehmen wir sie ihm weg und somit auch die Möglichkeit zu wirklicher Veränderung. Und Du gibst die Verantwortung für DICH SELBST ab- und die brauchst Du dringend, möchtest Du neue Wege einschlagen.
Der Ausstieg aus der Co-Abhängigkeit und Wege der Heilung
Es hilft zu verstehen, dass das einsame Schweigen der Co-Abhängigen, hat nicht mit mir oder Dir begonnen hat. Es wurde über viele Generationen von Generationen gelebt und fortgeführt. Familiengeheimnisse wurden unter den Teppich gekehrt und Gefühle verdrängt. Ich bin damit aufgewachsen, dass meine Eltern über ihre Familien gesagt haben “Hier wird über nichts gesprochen!”.
Doch diese intensive Zeitqualität bringt die Wahrheiten und eben auch den Dreck ans Licht, um von denjenigen, die es vermögen, geheilt und transformiert zu werden. Ich erlebe gerade in meinen Sessions immer wieder, dass von der Hochsensitivität der Frauen mit denen ich arbeite, Familiengeheimnisse energetisch ans Licht kommen.
Es ist Zeit für uns selbst die Verantwortung zu übernehmen und das Schweigen zu brechen- und die Scham, die Ohnmacht, den Selbsthass und die Trauer, die darunter liegen zu spüren.
Es ist Zeit, die Schuld zu durchleuchten und sich nicht länger von ihr aufhalten zu lassen.
Du darfst die abgespaltenen Anteile in liebevoller und sanfter Arbeit integrieren, Gefühle fließen lassen und Dich rück-verbinden mit der Weisheit und Kraft Deines Spirits.
Du darfst Dir erlauben, Dir Räume und Menschen der Unterstützung ins Leben zu holen.
Ich selbst bin für die Unterstützung, die Menschen und den Weg, den ich schon so lange gehe, zutiefst dankbar. Mit jedem Schritt darf das Mädchen, das ich war, mehr Heimat in mir finden, darf sich die Frau, die ich bin, mehr entfalten. Ich habe mir selbst versprochen, dunkle Geheimnisse, Suchtstrukturen und emotionalen Missbrauch nicht mehr zu er-tragen und ganz klare Grenzen zu ziehen, dort wo ich sie spüre. Ich bin es mir wert, auf meinen Instinkt zu hören und dunkle destruktive Räume nicht mehr zu betreten. Das ist nicht immer einfach, doch meine wachsende Selbst-Zuwendung macht es möglich.
Dabei lasse ich mich seit vielen Jahren begleiten, denn die Begleitung des Mitgefühls, des Sehens und Raum Haltens, die damals gefehlt hat, kann ich mir auch heute noch holen. Meine eigene Heilung und spirituellen Fähigkeiten, befähigen mich dazu, diese Begleitung auch anderen Menschen zu geben. Wenn es Dich ruft, dann darfst Du meine Unterstützung annehmen.
Du vermagst es.
Vertraue in Deine weibliche Kräfte der Transformation und entscheide Dich für die Genesung.
Wie geht es Dir mit diesem Thema? Was macht das mit Dir?
Ich freue mich von dir zu lesen.
Deine Susanne 🧡
DANKE an ©Judith de Gavarelli für das wundervolle Foto!
* Wenn Du darüber mehr erfahren möchtest, kann ich Dir das Buch “SPRACHE OHNE WORTE” von Peter A. Levine, dem Begründer der Somatic- Experiencing- Technik sehr ans Herz legen.
Der wunderschöne Ozean von La Palma